Neuroplastizität – Der Weg zu neuem Denken und Handeln –
Als ich vor ein paar Tagen mal wieder unterwegs war um meine 10.000 Schritte in frischer Luft einzusammeln, hab ich etwas für mich Bemerkenswertes gesehen. Ein kleiner aber eindrücklich getrampelter Pfad, der an einer Spazierwegkreuzung ein ganz kleines Stück abkürzte. Das Stück wirkte so klein, dass eigentlich weniger von einer Abkürzung gesprochen werden konnte, sondern eher von einer geometrischen Hinzufügung.
Jedenfalls blieb ich kurz stehen und wunderte mich darüber, dass es wohl einige Menschen geben musste, die diesen kleinen Pfad immer wieder benutzten, so dass ein Trampelpfad, auf dem kein Gras mehr wuchs, entstanden war. Und als ich so dort stand und meine Gedanken wanderten – vielleicht auch auf dem Trampelpfad – näherte sich ein großer Hund gefolgt von einem Menschen. Der Hund schlug ganz selbstverständlich, nicht menschlich gelenkt, den getrampelten Pfad ein, um nach den vielleicht zwei Metern wieder auf dem angelegten Weg anzukommen… Spannend zu beobachten!
Während dieser Szene fiel mir wieder die Analogie ein, die ich häufig meinen Klienten erzähle, um auf das Erlernen und Automatisieren von neuen Gedanken oder neuem Verhalten hinzuweisen. Die Verknüpfungen der Neuronen im Gehirn sind wie Daten-Wege, oder Straßen und Autobahnen und wenn ein neuer Gedanke hinzukommt, ist es ähnlich wie mit dem leichten Wandeln durch frisches Gras, die Halme werden gedrückt, richten sich aber sehr schnell wieder auf. Erst wenn der Gedanke häufiger gedacht wird, oder das neue Handeln häufiger durchgeführt wird, bleibt das Gras am Boden und die Spur, die dadurch entsteht, wird sichtbar. Wenn das Ganze dann weiter regelmäßig durchgeführt wird, entsteht zunächst der erwähnte Trampelpfad und ist so schnell nicht wieder rückgängig zu machen.
Neurowissenschaftler sprechen davon, dass unser Gehirn auch bis ins hohe Alter hinein formbar ist. Dies ist die sogenannte Neuroplastizität. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass neues Verhalten durch regelmäßige Wiederholung ca. zwei Monate (bzw. 66 Tage) braucht um verfestigt und automatisiert zu sein. Dr. Michael Bohne hat uns in der Ausbildung zu PEPologen (Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie – eine wunderbar wirksame Klopftechnik!) beigebracht, dass wir unseren PEP®-Klienten ein „Rezept“ mitgeben mit dem Hinweis „Zwei mal täglich mindestens 8 Wochen!“ Das bezieht sich auf neue funktionale Gedanken, die die alten dysfunktionalen ersetzen sollen. Auch hier geht es um das Prinzip der Verfestigung der neuen Gedanken, oder Handlungen.
Auch zu diesem Thema ist mir natürlich wieder ein Film eingefallen 😉 „Groundhog Day“ (dt. „Und täglich grüßt das Murmeltier“, 1993, Regie Harold Ramis). In diesem Film muss der grantelige Phil Connors (sehr glaubhaft unsympathisch gespielt von Bill Murray), gefangen in einer Zeitschleife am Murmeltiertag in Pennsylvania, lernen selbstlos und empathisch seinen Mitmenschen gegenüber zu sein. Und zwar aus sich selbst heraus! Er braucht unfassbar viele Wiederholungen und wacht Morgen für Morgen mit dem Schlager „I Got You Babe“ aus dem Radiowecker am 2. Februar, dem Groundhog Day, in seiner Pension in Punxsutawney auf… Erst als er alles Mögliche, sehr Selbstsüchtige und nicht unbedingt Sympathische ausprobiert hat, beginnt er seine Mitmenschen in den Blick zu nehmen und sich langsam aber sicher zu einem empathischen Teil der Gemeinschaft zu entwickeln. … Ich bin mir nicht sicher wie lange Phil insgesamt in der Zeitschleife gefangen war, aber vielleicht hat er am Ende dann ungefähr die 8 Wochen gebraucht, um schließlich das empathische und selbstlose Verhalten zu implementieren und dadurch das Herz der Aufnahmeleiterin Rita (zauberhaft gespielt von Andie MacDowell) zu gewinnen und somit endlich dem Murmeltiertag und Punxsutawney ins Happy End hinein zu entrinnen…
Vielleicht hast du auch vor etwas Neues, ein neues Verhalten oder Denken, in dein Leben zu integrieren. Möglicherweise sträubst du dich anfangs etwas und merkst, dass das Neue zunächst lästig ist. Aber einmal begonnen denkst du immer weniger darüber nach und auf einmal stellst du vielleicht verwundert fest, dass das anfangs Lästige längst eine Gewohnheit, oder Routine geworden ist, die du gar nicht mehr in Frage stellst. Dann ist dein Trampelpfad gut sichtbar geworden und automatisch immer wieder zu finden.
Ich werde während der nächsten Spaziergänge sicher noch den einen oder anderen weiteren Trampelpfad entdecken und mir dabei überlegen, welchen neuen Gedanken oder welches Verhalten ich gerne verfestigen möchte. Vielleicht möchte ich meinen inneren Schweinehund ermuntern auch die kleine Abkürzung zu nehmen und dabei ein oder zwei Dinge, die auf meiner langen Bank liegen, mitzunehmen… Ich glaube, das ist eine gute Idee!
Herzlichst deine Dörte